Einblicke in spannende Forschungsprojekte

Am 22. Juni 2015 startete nachmittags eine neue Veranstaltung im Rahmen des MINToringSi-Projekts. Für die teilnehmenden Oberstufenschülerinnen und –schüler öffneten verschiedene Labore der Universität Siegen ihre Türen und gaben Einblicke in aktuelle und spannende Forschungsprojekte im naturwissenschaftlich-technischen Bereich.

Laborführung Experimentelle Teilchenphysik

Einige Schülerinnen und Schüler des MINToringSi-Projekts verbrachten den Nachmittag am Emmy-Noether-Campus der Universität Siegen, um einen Einblick in die aktuelle Forschung der Experimentellen Teilchenphysik zu erhalten.

Nach der Begrüßung ging es für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler direkt los. Philipp Krumm, MINTor und Bachelor-Student in der Astroteilchenphysik, startete mit einer Einführung in die Elementarteilchenphysik und erläuterte die aktuellen Forschungsgebiete.

Dr. Wolfgang Walkowiak erklärt Inforamtionen zu den ATLAS-Pixelmodulen, Bild im Labor aufgenommen.
Dr. Wolfgang Walkowiak erklärt Inforamtionen zu den ATLAS-Pixelmodulen, Bild im Labor aufgenommen.

Die Teilchenphysiker der Uni Siegen sind an momentan drei Experimenten beteiligt, dem ATLAS-Detektor am CERN in Genf, dem Pierre-Auger-Observatorium in Malargüe (Argentinien) und der Entwicklung einer Zeitprojektionskammer (TPC – Time Projection Chamber) für einen zukünftigen Linearbeschleuniger, dem ILC (International Linear Collider).

Philipp Krumm erklärte zunächst, was sich hinter dem Begriff CERN verbirgt. Es handelt sich um die Europäische Organisation für Kernforschung mit Sitz in Genf. An der Grenze zwischen Schweiz und Frankreich werden mit Beschleunigern Experimente zur Teilchenphysik durchgeführt. Der größte Beschleuniger, der Large Hadron Collider (LHC) ist kreisförmig gebaut hat einen Umfang von 27 Kilometern! Er liegt etwa 100 Meter unter der Erde und ist der weltweit größte Beschleuniger. In ihm werden Protonen auf eine Energie von bis zu 13 TeV beschleunigt und zur Kollision gebracht. Die dabei entstehenden Teilchen werden mit Detektoren nachgewiesen. Am LHC stehen vier Detektoren zur Verfügung, einer davon ist der ATLAS-Detektor, an dem auch die Uni Siegen mitarbeitet.

Ein solcher Detektor funktioniert ähnlich wie eine Digitalkamera. Er registriert mit seinen über 100 Millionen elektronischen Kanälen die Kollision und detektiert die Teilchen, welche durch die Kollision entstehen. Im Gegensatz zur Digitalkamera werden die einzelnen Kanäle 40 Millionen Mal pro Sekunde ausgelesen. „Das Besondere an diesen Kollisionen ist, dass Teilchen entstehen können, die ursprünglich nichts mit den Ausgangsteilchen zu tun hatten“, so Philipp Krumm. „Ein Proton besteht aus zwei up- und einem down-Quark. Bringt man nun zwei Protonen zur Kollision können aber ganz neue Teilchen entstehen, wie Myonen, Neutrinos usw.“ Das Spannende daran sei z.B. ein neues Teilchen zu entdecken, was bisher nur in der Theorie vorhergesagt wurde. Dies gelang zuletzt vor ein paar Jahren bei der Entdeckung des Higgs-Bosons. Aktuelle Forschungsinteressen seien u.a. die Dunkle Materie, Supersymmetrie oder die Suche nach Extra Dimensionen.

In einem Labor der Teilchenphysik wurden den Schülerinnen und Schülern Module des Pixeldetektors, dem innersten Detektor des ATLAS-Experiments gezeigt. Dr. Wolfgang Walkowiak erklärte den technischen Aufbau des ATLAS-Detektors und zeigte aktuelle Messungen des ATLAS-Detektors.

Neben der Arbeit am ATLAS-Detektor forschen die Physiker in Siegen auch in der Astroteilchenphysik und sind an einem Experiment in Argentinien, dem Pierre-Auger-Observatorium, beteiligt. Dieses Experiment zur Untersuchung ultrahochenergetischer kosmischer Strahlung wurde von Prof. Dr. Peter Buchholz vorgestellt. Prof. Buchholz erläuterte, was man unter der kosmischen Strahlung versteht und verwies auf aktuelle Fragestellungen in der Astroteilchenphysik. So ist bspw. nicht klar, woher die Teilchen der kosmischen Strahlung eigentlich kommen, oder wie sie im Universum beschleunigt werden. Auch die Zusammensetzung der Strahlung wird aktuell erforscht. Im Rahmen eines Upgrades des Observatoriums in Argentinien versucht man nun, all diesen Unklarheiten besser nachgehen zu können. Dabei wird die Elektronik von über 1600 Bodendektoren, die auf einer Fläche von 3000 Quadratkilometern in Argentinen stehen ersetzt. Diese Bodendetektoren registrieren Teilchen über den Cherenkov-Effekt. Sie messen jedoch nicht das Primärteilchen aus dem Universum, sondern die Teilchen, welche in Schauern entstehen, nachdem das Primärteilchen mit Nukleonen der Atmosphäre zusammengestoßen ist. Der entstehende kaskadenförmige Teilchenschauer erreicht dann den Erdboden, wo die Teilchen in den Bodendetektoren nachgewiesen werden können.

Philipp Krumm zeigt Messungen zur Temperaturabhängigkeit von Pulssignalen. Rechts im Hintergrund ein Klimaprüfschrank.
Philipp Krumm zeigt Messungen zur Temperaturabhängigkeit von Pulssignalen. Rechts im Hintergrund ein Klimaprüfschrank.

Philipp Krumm, der selber für dieses Experiment arbeitet, führte die Schülerinnen und Schüler in sein Labor und zeigte ein Experiment, in welchem er die Temperaturabhängigkeit von Spannungssignalen eines analogen Pulsgenerators untersucht. Dieser analoge Pulsgenerator simuliert mit anderen elektronischen Bauteilen einen Bodendetektor und wird für das Testen neuer Boards benötigt, welche in den nächsten Jahren die Elektronik der über 1600 Detektoren des Pierre-Auger-Observatoriums ersetzen.

Die Schülerinnen und Schüler erhielten außerdem einen Einblick in die Röntgen- und Festkörperphysik, vorgestellt von Prof. Dr. Christian Gutt. Nach einigen geschichtlichen Informationen zur Entdeckung der Röntgenstrahlung, stellte Prof. Gutt auch ein aktuelles Experiment zur Untersuchung von Synchrotronstrahlung, dem ESRF in Grenoble vor. Es wurden außerdem Informationen zum Physik-Studium gegeben.